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Bolsonaro füllt die Lücken beim Militär

Laut brasilianischen Medien war das bisherige militärische Führungstrio aus Protest gegen die überraschende Absetzung von Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva zurückgetreten.

Kurz nach dem Umbau der Regierung des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro folgt die Neubesetzung der Militärführung. Die Spitzen von Heer, Luftwaffe und Marine sollen ausgetauscht werden, wie die Regierung am Dienstag ankündigte. Einen Grund für die Personalwechsel in der Militärführung nannte die Regierung nicht. Laut brasilianischen Medien war das bisherige militärische Führungstrio aus Protest gegen die überraschende Absetzung von Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva zurückgetreten. 

Die Neubesetzungen an der Militärspitze seien bei einem Treffen des neuen Verteidigungsministers Walter Souza Braga Netto mit seinem Vorgänger beschlossen worden, erklärte das Verteidigungsministerium lediglich. Die Namen der drei neuen Oberbefehlshaber wurden zunächst nicht genannt. 

Braga Netto sorgte am Dienstag bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Ernennung für Empörung, als er die brasilianische Militärdiktatur von 1964 bis 1985 lobte. 

Der General bezeichnete den Jahrestag der Machtübernahme des Militärs am 31. März 1964 als Grund zum Feiern: "Die Streitkräfte übernahmen die Verantwortung, um das Land zu befrieden (...) und die demokratischen Freiheiten zu garantieren, die wir heute genießen", sagte er. Auch der rechtsradikale Präsident Bolsonaro hat sich wiederholt positiv über die Militärdiktatur geäußert.

Vizepräsident Hamilton Mourão, ein General, beteuerte jedoch im brasilianischen Nachrichtenportal "G1", es bestehe "null Risiko", dass die Armee in antidemokratischer Weise gegen das Parlament oder die Gerichte intervenieren könnte. Wer auch immer an der Spitze des Militärs stehe - die Streitkräfte würden immer "auf der Seite der Legalität stehen".

Der bisherige Verteidigungsminister Azevedo betonte seinerseits in seiner Abschiedsklärung, er sei stolz darauf, die Rolle der Armee als "Institution des Staates" bewahrt zu haben. 

Unter der brasilianischen Militärdiktatur waren laut einem Bericht einer Nationalen Wahrheitskommission aus dem Jahr 2014 insgesamt 434 Menschen im Auftrag des Militärs ermordet worden oder spurlos verschwunden. Hunderte Menschen wurden willkürlich eingesperrt und gefoltert. 

Seit Ende der Diktatur achtet Brasiliens Armee aber sorgsam auf ein unpolitisches Image. Die Rücktritte der Militärspitzen und von Verteidigungsminister Azevedo seien Zeichen für das Unbehagen der Militärs mit ihrer zunehmenden Politisierung, schrieb der Journalist Merval Pereira in der Zeitung "Globo". Azevedo sei mit Bolsonaros "Nutzung des Militärs zu politischen Zwecken" nicht einverstanden gewesen. 

Auch der bisherige Heereschef Edson Pujol hatte im November betont, dass er "nicht in Politik verwickelt" werden wolle. Im Gegensatz zu Bolsonaro, der die Bedrohung durch die Corona-Pandemie immer wieder verharmlost hat, bezeichnete der General zudem den Kampf gegen das Virus als "die wichtigste Mission unserer Generation".

Bolsonaro hatte am Montag im Zuge einer umfassenden Regierungsumbildung sechs Kabinettsposten neu besetzt. Neben dem Verteidigungsminister wechselte er unter anderen auch den Außen- und Justizminister aus. In der vergangenen Woche hatte Bolsonaro zudem seinen bereits vierten Gesundheitsminister ernannt.

Der Präsident steht angesichts des gigantischen Ausmaßes der Corona-Krise im Land zunehmend unter Druck. Vor allem in der Wirtschaft wuchs zuletzt die Unzufriedenheit mit seinem Krisenmanagement. 

Nun fürchtet Bolsonaro offenbar, dass seine Ablehnung von Lockdowns, Masken und Impfungen seine Wiederwahl im kommenden Jahr gefährden könnte - zumal ihm mit der Rückkehr des linksgerichteten Ex-Staatschefs Luiz Inácio Lula da Silva auf die politische Bühne ein ernstzunehmender Herausforderer droht. Ein Richter des Obersten Gerichts hatte Anfang März alle Korruptionsurteile gegen Lula für ungültig erklärt. 

fwe/ans/dja


Jordi MIRO / © Agence France-Presse